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Die Folgen vom stundenlangen Sitzen

„Sitzen ist das neue Rauchen“ hat jeder von uns mittlerweile mindestens einmal in den Medien gelesen oder gehört. Auch wenn die Schlagzeile noch so reißerisch klingt, die Folgen stundenlangen Sitzens sind unverkennbar. Bereits zwei Stunden Sitzen am Stück erhöht die Risiken für Herzerkrankungen, Diabetes, metabolisches Syndrom, Krebs sowie Rücken- und Nackenschmerzen1. Laut einer Studie in Australien verringert jede Fernsehstunde bei 25 – Jährigen die Lebenserwartung sogar um 21,8 Minuten2. Dem gegenüber kostet eine Zigarette im Vergleich nur 11 Minuten Lebenszeit3.

Mittlerweile erleidet der sitzende Büromensch mehr Verletzungen am Bewegungsapparat als Arbeiter aller anderen Industriebereiche (inklusive Baubranche, Metallverarbeitung und Transportwesen). Sitzen stellt somit ein vergleichbares Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz dar wie das Heben schwerer Lasten4 Die WHO stuft körperliche Inaktivität (zu viel Sitzen) weltweilt mit 3,2 Millionen Todesfällen jährlich als die viertgrößte vermeidbare Todesursache ein.

Was bedeuten diese erschreckenden Zahlen für uns?

Der Mensch ist dafür gebaut sich zu bewegen. Vor tausenden von Jahren wurde der Sessel noch als das eingesetzt, wofür er ursprünglich gedacht war: um sich auszurasten. Heutzutage sitzen wir in unserem Alltag jedoch mehr denn je zuvor. Durch die Schreibtisch-Stuhl Kombination wurde ein Arbeitsplatzstandard entwickelt, der mittlerweile unseren Alltag beherrscht.

Das Problem daran? Sitzen wirkt angenehm auf uns, fühlt sich bequem und schmerzfrei an. Es gäbe auch kein Problem, würde das Sitzen auf 15 Minuten in perfekter Körperhaltung reduziert werden. Die gute Nachricht: Unser Körper passt sich wahnsinnig gut an neue Haltungen und Reize an. Wir geben dem Körper ein klares Zeichen: er muss „gut“ im Sitzen werden. Sitzen wir jedoch den Großteil des Tages im Rundrücken, so formen Bindegewebe und Gelenke eine Art Korsett um diese Stellung herum. Hat sich der Körper an die neue Haltung angepasst, so wird es umso schwerer in bessere Körperhaltungen zu wechseln. Muskeln der unteren Körperregionen werden abgeschaltet, stützende und stabilisierende Muskeln der Wirbelsäule und Rumpfmuskulatur werden nicht aktiviert und führen zu Muskel-Skelett-Erkrankungen, Haltungsschäden, Schmerzen im Rücken- und Nackenbereich, sowie Karpaltunnelsyndrom und Beckenbodendysfunktionen. 8 von 10 Menschen werden im Laufe Ihres Lebens von mühsamen Rückenschmerzen geplagt. Den wenigsten Menschen ist bewusst, welche Auswirkungen die sitzende Körperhaltung in weiterer Folge auf alltägliche Bewegungen und auf die Lebensqualität hat.

Die Lösung

In erster Linie gibt es kein Allheilmittel für Vielsitzer. Wichtig ist, dass wir uns bewusst darüber sind welchen Belastungen wir uns täglich durch das Sitzen aussetzen und dass mehr als nur ein Training in der Woche absolviert werden muss, um das nötige Gleichgewicht herzustellen. Unsere Gesundheit profitiert zwar von einem aktiven Lebensstil, doch Sport alleine reicht nicht aus. Sport als Ausgleich nach der Arbeit trägt nur bedingt dazu bei, die schädlichen Folgen des Dauersitzens im Zaum zu halten. Vielmehr muss das Problem bei der Wurzel gepackt werden: An unserem Arbeitsplatz, an dem wir jeden Arbeitstag rund 8 Stunden im Sitzen verbringen. Dynamisches Sitzen hilft uns durch ständige Wechsel der Sitzposition unsere Haltung zu korrigieren. Unser Feind sind alle einseitige Belastungen. Ziel ist es, alle 30 Minuten die Sitzposition zu verändern, aufzustehen und sich zu bewegen. Studien haben gezeigt, dass bereits wenige Minuten an gezielten Übungen am Arbeitsplatz helfen Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen zu senken6, das Wohlbefinden zu steigern und empfundenen Stress zu senken7,   Hierbei geht es weniger um Sprints oder Liegestütze, sondern um lockere Aktivierung. Ein kurzer Spaziergang, um den Blutkreislauf in Schwung zu bringen oder gezielte Kräftigungs- und Dehnübungen der Muskeln, die durch das Sitzen vernachlässigt werden, wären optimal. Dadurch wird auch die Haltung kontinuierlich verändert und optimiert, um sitzenden Belastungen besser zu kompensieren.

Abgesehen von der regelmäßigen Unterbrechung der Sitzzeiten und Bewegung zwischendurch geht es insbesondere darum, dass jeder sitzende Büromensch weiß, wie er sich bei Verspannungen, Schmerzen und Haltungsschäden selbst helfen kann. Denn alle 30 Minuten Bewegung in den Büroalltag einzubauen, ist in der Praxis nur schwer möglich. Im Idealfall bräuchten wir alle einen Personal Trainer als täglichen Begleiter, der uns daran erinnert die Sitzposition zu verändern, regelmäßig aufzustehen und sich zu bewegen und mit gezielten und individuell angepassten Übungen zwischendurch für eine Aktivierung, Kräftigung und Mobilisation der vernachlässigten Muskeln sorgt. Gut, dass du deinen BüroBuddy hast also nichts wie los, es wird wieder Zeit für eine Übung!

Quellen

1 James A. Levine, „Get Up! Why Your Chair Is Killing You and What You Can Do About It“, in St. Martin’s Press, New York 2014, S70-71

2J. L. Veerman, G. N. Healy, L.J. Cobiac, T. Vos, E.A.H. Winkler, N. Owen, D.W. Dunstan; „Television Viewing Time and Reduced Life Expectancy: A Life Table Analysis“, in British Journal of Sports Medicine 46, 2012, S.927-930

3M.Shaw, R. Mitchell, D. Dorling; „Time for a Smoke? One Cigarette Reduces Your Life by 11 Minutes“, in BMJ 320, Nr. 7226, 2000, S.53


4E. Jensen, „Moving with the Brain in Mind“, in Educational Leadership 58, Nr. 3, 2000, S. 34-37

5S. Carter, R. Draijer, S. Holder, L. Brown, D. Thijssen, N. Hopkins, “Regular walking breaks prevent the decline in cerebral blood flow associated with prolonged sitting”, in J Appl Physiol, 2018 Sep 1; 125(3): 790-798

6A. Shariat, J. Cleland, M. Danaee, M. Kargarfard, B. Sangelaji, S. Bahri Mohd Tamrin, “Effects of stretching exercise and ergonomic modifications on musculoskeletal discomforts of office workers: a randomized controlled trial”, in Braz J Phys Ther. Mar-Apr. 2018; 22(2): 144-153.

7R. Michishita, Y. Jiang, D. Ariyoshi, M. Yoshida, H. Moriyama, H. Yamato, “The practice of active rest by workplace units improves personal relationships, mental health, and physical activity among workers”, in J Occup Health 2017 Mar 20; 59(2): 122-130.

8iga.Report 40: Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention, 2019